Raubvögel singen nicht
Ein Krimi aus Wien, zwischen
Kunst und Musik, Verbrechen und Wirtschaftskriminalität.
Ein junger
Straßenkehrer,
Afrikaner, mit Brille, bekleidet mit einem in Wien üblichen
orangefarbenen Arbeitsanzug und einem absolut nicht üblichen,
elegantem roten Schal. Er fegte den Opernring, konzentriert und
verzweifelt im Kampf mit dem kalten Novemberwind. Er fühlte
die
Kälte kaum, aber er ärgerte sich über den
Wind, der die
fallenden Blätter herumwirbelte und auf den Lachen, auf den
Grünflächen, auf dem Fahrradstreifen verteilte. Der
Wind
wirbelte die bunten, auf den Bänken liegen gebliebenen
Magazine
durcheinander und störte ihn bei seiner Arbeit. Was ihn noch
irritierte, waren einige Frauen. Manchmal kamen derartige Frauen
vorbei, dass er bei deren Anblick seine Arbeit einfach
vergaß.
Dann ärgerte er sich über sich selbst und
kämpfte umso
erbitterter gegen den rauen Wind an. Es war noch finster und nieselte
leicht. Eben erblickte der Straßenkehrer eine halb liegende,
halb
sitzende Dame in langem, pelzbesetztem, weißem Mantel auf
einer
Bank. Er blieb wie erstarrt stehen. Sie schien zu schlafen. Eine ihrer
graziös anmutenden Hände mit modischer
Maniküre und
einem Ring mit großem Solitär lag willenlos neben
ihr. Ein
Windstoß trieb ein schmutziges Blatt auf ihr blasses Gesicht,
wie
eine Ohrfeige klatschte es auf. Sie rührte sich nicht. Der
Straßenkehrer stand vor ihr und schaute sie lange starr an.
Langsam und zart entfernte er das Blatt aus ihrem Gesicht. Keine
Bewegung. Er hockte sich vor sie, ergriff sanft die liegende Hand, den
Ring bestaunend. Ein feindseliger Widerschein war die Antwort. Etwas
Rötliches in ihrem Haar und auf dem Boden unter der Bank fiel
ihm
auf. Sehr vorsichtig legte er ihre Hand zurück. Aufstehend
drehte
er sich weg und ging zu seinem Schubwagen. Noch einmal blickte er
zurück, um dann seine Arbeit fortzusetzen. Die kalte Stadt,
die
kalten Frauen.
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Im
Morgengrauen wird die Leiche einer Frau am Opernring entdeckt. Es ist
die Ehefrau eines erfolgreichen Bankdirektors. Der Ausschnitt eines
Notenblattes, das beim Opfer gefunden wird, stellt die Wiener Polizei
vor ein Rätsel. Und je intensiver sich die Ermittler mit dem
Fall
beschäftigen, desto undurchsichtiger und
unzusammenhängender
scheint er ihnen. Kurze Zeit später wird in einem
luxuriösen
Wiener Hotel erneut eine Leiche gefunden. Wieder mit einem Zettel, doch
dieses Mal handelt es sich um ein Gedicht.
Raubvögel singen nicht
Kriminalroman von Irene Souschek
Taschenbuch, 261 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-90278414-8
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Irene Souschek
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