Der springende Punkt
Bezirksinspektor
Gerhard Grinninger hatte schon viel erlebt. Das, was sich an diesem Tag
abgespielt hat, war aber ganz was Komisches: Vor etwa einer Stunde
saß er noch im Café Traxler in Bad Hansberg mit
einer
gepflegten Halben Bier und las die Kolumne von Claus Peter Steiner in
der Alpenpost. Da hat er sich noch nicht gedacht, dass er besagten
Schreiberling jetzt live vor die Augen bekommt. Dass dieser nun als
Leiche auch noch Hauptgegenstand seiner Ermittlungen und Grund
für
den sofortigen Urlaubsabbruch ist, hat den braven Polizeibeamten aus
seinem Konzept gebracht.
Eigentlich hat er sich heute früh schon auf die freien Tage zu
Erholungszwecken gefreut. So oft es geht, nach Tschechien zum Fischen
fahren, sich danach im Sternwald-Spa in Bad Hansberg entspannen und die
Arbeit dort lassen, wo sie an solchen Tagen hingehört ‒ im
Nirwana. Daraus ist dann nach dem hektischen Anruf von
Bezirkskommandant Herbert Luckeneder nichts geworden.
Aber trotzdem: Das mit der Fahrt nach Tschechien ist dem Grinninger
schlussendlich doch noch aufgegangen. Der Grund dafür liegt
jetzt
etwa zwei Meter unter Grinningers Füßen in einer
fertig
ausgeschalten Baugrube, verdeckt von einigen abgeplattelten
Dämmplatten.
Claus Peter Steiner war Redaktionsleiter der Alpenpost im
Korrespondentenbüro in Linz und Kolumnist im Politikteil. Er
nannte sich selbst »Alpen-Postler« und schrieb in
seinen
Kolumnen Briefe an honorige Persönlichkeiten, Politiker und
Promis. Diese Schriftwerke befolgen die Blattlinie der Zeitung in
zugespitzter Form und sind in ihrem Rezept sozusagen voll
auf die
Bedürfnispyramide der Alpenpost-Abonnenten zugeschnitten: Man
nehme ein bisschen Hass, dann eine Prise Brutal-Patriotismus und
vermische diese Mixtur mit einer großen Portion Sexismus. Das
Ganze dann noch aufgeschäumt mit einem ordentlichen Schuss
Zynismus. Fertig ist der Giftcocktail, der je nach Gusto entweder als
wohlfeines Finale der Arbeitspause oder bekömmliche
Frühstücksbeigabe genossen werden kann.
Darüber prangt
das Foto von Steiner mit Füllfeder in der Hand, Trachtenjanker
am
Körper und einem Hunderl in der Hand – perfekt, um
gewisse
Reizreflexe beim gelernten Österreicher
auszulösen.
Die Baugrube ‒ in der nun Steiner liegt ‒ soll eine tragende Betonwand
werden, die zum Einkaufszentrum von Theodor Burger gehört.
Entstehen soll dieser Konsumtempel aus dem ehemaligen Zollhaus am
Grenzübergang Guglwald. Da die Leiche haarscharf auf der
rot-weiß-roten Seite der Grenze liegt, befindet sie sich im
Wirkungsbereich von Grinninger, der seit dem Misthaufenmord als
Spezialist für Mordfälle in der Region gilt.
»Du bist unser Mann mit Mord-Erfahrung«, hat den
Grinninger
der hochnervöse Oberst Herbert Luckeneder motiviert, sich der
Sache umgehend anzunehmen.
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Eigentlich
hätte sich Bezirksinspektor Gerhard Grinninger auf ein paar
erholsame Wochen im malerischen Bad Hansberg gefreut. Doch der beim
Grenzübergang Guglwald auf einer Baustelle tot aufgefundene
Journalist Claus Peter Steiner macht ihm einen Strich durch seine
Wellness-Rechnung. Steiner, die Edelfeder des streng
rechtskonservativen Wochenmagazins »Alpenpost«,
wurde mit
Drogen vollgepumpt und danach von Hunden zu Tode gehetzt. Steckt
tatsächlich die Mafi a hinter diesem Strafritual? Oder wirbelte
Steiner mit seinen Recherchen zuviel Staub auf?
Der springende Punkt
Kriminalroman von Christian Hartl
Taschenbuch, 232 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-004-4
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Der springende Punkt ist
auch
als e-book erhältlich
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Thalia
Von Christian Hartl bisher erschienen
Christian Hartl
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