„Tödliche Wogen“ von Werner Wöckinger
Abteilungsinspektor Erich Oberbacher ermittelt gerade gegen eine Autoschieberbande, als er zum Donaukraftwerk Mitterkirchen-Wallsee gerufen wird. Bei Reinigungsarbeiten im Staubecken wurde eine männliche Leiche entdeckt, bei der es sich um Richard Achhorner handelt. Achhorner war Nebenerwerbslandwirt und Obmann der ortsansässigen Bürgerinitiative gegen die geplante neue Donaubrücke in Mauthausen und war seit einigen Wochen spurlos verschwunden. Während die Ermittler des LKA den Fall bald als Suizid zu den Akten legen, ermittelt Abteilungsinspektor Oberbacher auf eigene Faust weiter. Verdächtige gibt es genug, Motive auch.
Leseprobe
Mühlviertel-Krimi
»Erich?«, hörte ich Udo am anderen Ende der Leitung.
»Ja, was ist los?«
»Was machst du gerade? Kannst du auslassen?«
»Ja, klar. Die Autoschieber laufen mir schon nicht davon«, musste ich über meinen schlechten Witz beinahe selber lachen.
»Gut. Dann fahr bitte nach Mitterkirchen zum Kraftwerk.«
»Was ist da passiert?«, war ich neugierig.
»Die Sache ist noch unklar. Arbeiter haben möglicherweise Leichenteile gefunden. Schau mal nach dem Rechten und gib mir dann eine Rückmeldung«, erklärte Udo.
»Bin schon unterwegs«, legte ich auf und startete meinen Wagen.
Ich aktivierte das Blaulicht und ließ die Reifen quietschen. Die anderen Verkehrsteilnehmer stoben zur Seite und versuchten mir Platz zu machen. Mit hundertzwanzig Sachen brachte ich den schneenassen Asphalt unter mir zum Kochen. Endlich passierte etwas Spannendes und ich durfte an vorderster Front dabei sein. Es kribbelte in den Eingeweiden. Dafür war ich zur Polizei gegangen. Das war mein Metier.
Neun Minuten später erreichte ich die Kraftwerkszufahrt. Die Ampel für die Straße, die über das Kraftwerk nach Niederösterreich führte, stand auf Rot. Vor mir erkannte ich einen Streifenwagen, der trotzdem bereits auf dem Weg auf die andere Seite der Donau war. Also ignorierte ich ebenfalls das rote Ampellicht und setzte nach Süden über.
Auch die niederösterreichischen Kollegen waren soeben eingetroffen. Im selben Augenblick war mir klar, dass es zu Kompetenzstreitigkeiten kommen würde. Ich wusste, dass im Kraftwerksbereich die Bundeslandgrenzen wirr kreuz und quer liefen. Das Kraftwerk in Mitterkirchen und Wallsee war das erste dieser Art gewesen, das in den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Trockenbauweise errichtet worden war. Durch das Kraftwerk wurde der Flusslauf begradigt, was sowohl für die Stromgewinnung als auch für die Schifffahrt von Vorteil war.
Die Bundeslandgrenzen verliefen aber nach wie vor in der Mitte des ehemaligen Flusslaufes, Die niederösterreichischen Kollegen hatten mit dem Überqueren der kleineren Brücke über den Donau-Altarm bereits ihr Hoheitsgebiet verlassen. Das würde ich auch in aller Deutlichkeit klarstellen. Ich stellte meinen Wagen neben den beiden Streifenwagen ab und beeilte mich, die Kollegen einzuholen, die bereits damit begannen, den Tatort abzusperren. Ich zückte meine Dienstmarke und schlüpfte unter dem Absperrband hindurch.
»Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte ich lauter, als ich es geplant hatte.
Die Umstehenden drehten sich überrascht zu mir um.
»Was machen Sie …?«, wollte der Uniformierte wissen, beendete seinen Satz aber nicht, als er meine Marke wahrnahm.
»Das ist unser Einsatz«, wollte sein Kollege aufbegehren.
»Sagt wer?«, erwiderte ich forsch.
»Die Leiche wurde auf der Südseite der Donau herausgefischt, also ist es unser Fall«, stemmte dieser die Arme in die Hüfte.
»Wenn du dich da mal nicht täuscht, Junge«, lächelte ich milde und sah den Strommeister an, den ich seit vielen Jahren kannte.
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Tödliche Wogen
Kriminalroman von Werner Wöckinger
Taschenbuch, 256 Seiten, € 13,90 (A)
ISBN 978-3-99074-203-7