„Schöner Schein“ von Pia Wala

Romantischer Mondschein, zirpende Grillen und die malerische Kulisse der mittelalterlichen Stadtmauer: Idyllischer könnte das Mondscheinkino in Eggenburg kaum sein. Bis der Name des Arztes im Abspann aufflackert – und Dr. Haberl sich nicht mehr aus seinem Liegestuhl erhebt. Anna entdeckt Spuren, die auf eine Fesselung hindeuten – hat jemand den Arzt gefoltert? Trotz der Schussverletzung aus ihrem letzten Fall beginnt Anna, auf eigene Faust zu ermitteln. Schnell taucht sie immer weiter ein in ein Netz aus Lügen und Intrigen, Macht und Ohnmacht. In eine Welt, in der jeder alles weiß, doch vieles nicht gesagt werden darf.

Leseprobe

Der Film ging zu Ende. Anna verfolgte belustigt die letzte Szene, während der Großteil der Kinobesucher sich vor Angst immer tiefer in die Sessel drückte.
Als der Film vorbei war, klatschten einige Besucher, während ein Großteil der Kinogeher erleichtert aufatmete. Die ersten Gäste erhoben sich bereits. Anna seufzte zufrieden auf, als der Abspann über die Leinwand flackerte.
Sie und Amalia packten langsam ihre Sachen zusammen, blieben aber noch sitzen. Anna lehnte sich noch einen Augenblick in dem bequemen Liegestuhl zurück und schloss die Augen. Der laue Abend, der zarte Luftzug, der die Hitze des Tages allmählich verdrängte und das leise Grillenzirpen, das sich mit der sanften Hintergrundmusik mischte, die den Abspann begleitete.
Alles war perfekt. Doch plötzlich stoppte die Musik und dramatische Orgelklänge ertönten ohrenbetäubend aus den Lautsprechern. Beinahe wie ein nahes Donnergrollen. Anna öffnete die Augen wieder und richtete sich auf. Auch Amalia blickte von ihrem Rucksack auf, in den sie gerade gewaltvoll ihre zusammengeknäulte Decke stopfen wollte. Die Leinwand färbte sich blutrot. In großen Lettern flimmerten drei Namen über die weiß betuchte Stadtmauer. Dr. Karl Haberl. Ludwig Bartl. Josef Valentin. Nochmal spielten unheilverkündende Orgelklänge.
»Ruhet in Frieden« war nun in hässlicher Kursivschrift zu lesen.
Anna hörte ein grunzendes Lachen aus der Ferne. Beinahe unmenschlich.
»Ein seltsamer Scherz?«, Amalia sah Anna fragend an.
»Peppi, was soll denn das? Hast du deine Alte etwa wieder verärgert?« Der laute Zwischenruf kam aus einer der hinteren Reihen und galt dem Bürgermeister, der es sich in einem der Liegestühle in der ersten Reihe gemütlich gemacht hatte. Er schien das alles gelassen aufzunehmen. Jedenfalls lag er nach wie vor seelenruhig in seinem Sessel.
Unter den Kinobesuchern war es für einen Moment totenstill geworden. Ein paar lachten nervös auf, einige tuschelten, wieder andere begannen erneut, ihre Sachen zusammenzupacken. Und Jenny? Die schrie erneut auf. Doch diesmal hörte sie nicht mehr damit auf. Denn Josef Valentin, der Bürgermeister, lag mausetot neben ihr im Sessel.

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Thalia

Schöner Schein
Kriminalroman von Pia Wala
Taschenbuch, 244 Seiten, € 14,90 (A)
ISBN 978-3-99074-327-0