„Mordshochwasser“ von Gerald F. Wakolbinger

Drei unvollständige Skelette, zwei alte männliche und ein jüngeres weibliches, hat das Jahrhunderthochwasser in die Donauauen nahe der winzigen Ortschaft Gusen-Dorf gespült. Alle drei Skelette müssen lange in einem alten Brunnen gelegen haben. Bald stellt sich heraus, dass die älteren Leichen noch zu Lebzeiten in den Wirren kurz vor dem Kriegsende aus dem KZ-Nebenlager Gusen geflohen sein müssen. Noch während die Kripobeamten Klaus, Ziegler, Edelmayer und Kowalski im Fall der jüngeren Leiche ermitteln, wird ein weiteres Opfer gefunden. Eine junge Frau, die erste vor kurzem getötet wurde, wurde vom Hochwasser freigelegt und weist schwere Kopfverletzung auf. Vier Todesfälle, die scheinbar nichts miteinander gemein haben?

Leseprobe

An den schrecklichen Ereignissen war niemand schuld. Weder im moralischen noch im juristischen Sinn. Keinem konnte man die Schuld geben oder böse Absicht unterstellen. Nicht seiner Ex-Frau und nicht dem einstigen Busenfreund. Schuld an seinem beschissenen Leben war er selbst. Wegen seines maßlosen Alkoholkonsums und seiner Flucht vor den Klippen des Lebens.
Im Grunde waren es lediglich ein paar triviale, unglückliche Ereignisse, die in dieser zeitlichen Abfolge fatal waren. Man kann es göttliche Vorsehung, Kismet, Schicksal oder einfach nur Pech nennen. Teuflisches, tödliches Pech.
Dass der Biber die alte Erle im Auwald beim Donaukraftwerk Abwinden so weit angenagt hatte, dass sie ihre Standfestigkeit früher oder später verlieren würde, war nichts Ungewöhnliches, seit die großen Nager sich wieder im Land ausgebreitet hatten. Dass die Erle allerdings gleich beim ersten größeren Gewitter sturm in diesem Frühsommer nachgeben würde, war eine Tragödie. Dass er sich zwei Stunden davor ausgerechnet dort ins Delirium gesoffen hatte und weder von Blitz und Donner noch vom heulenden Orkan geweckt worden war, wäre für sich allein auch noch nicht tragisch gewesen. Es war nur ein weiterer Akt des Trauerspiels, das man Leben nennt.
Begonnen hatte es Jahre zuvor, als er und sein bester Kumpel um die Gunst der Dorfschönheit Katharina gerungen haben. Eine niederträchtige Lüge hatte ihm den Sieg gebracht und die Unschuld geraubt. Aus inniger Freundschaft wurde wortlose Feindschaft, abgrundtiefer Hass. Es war ein Pyrrhussieg, denn Jahre später verlor er alles – Frau, Sohn, Freunde, Arbeit, sein Dach über dem Kopf und schließlich jeden Halt. Trost fand er im Schnaps, ein letztes Refugium in der Langensteiner Donauau, wo er sich in einem Verschlag zum Lecken seiner Wunden verkriechen konnte.

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Mordshochwasser
Kowalskis bizarre Fälle
Kriminalroman von Gerald F. Wakolbinger
Taschenbuch, 332 Seiten, € 17,00 (A)
ISBN 978-3-99074-324-9