„Gefallene Sterne“ von Peter Schierl-Montfort

Oscar in der Vitrine, Millionen auf dem Konto: Richard Bartel hat es künstlerisch und finanziell geschafft. Warum der 54-jährige Schauspielstar ausgerechnet im Sommertheater Adlmanning eine Spielzeit einlegt, hat einen guten Grund: seine Verlobte Penelope Ostermaier, ehemalige Miss Austria und Tochter des Adlmanninger Intendanten, Tristan Ostermaier. Der Zuschauerandrang ist enorm, sogar Touristen aus dem Ausland verirren sich in die 1400-Seelen-Gemeinde, um Bartel auf der Freilichtbühne zu erleben. Das Stück heißt »Linke Gerade«, Bartel gibt darin einen skrupellosen Promoter, der im letzten Akt von einem Maskierten erschossen wird. Doch nach der letzten Aufführung der Saison steht Bartel nicht mehr auf, um sich zu verbeugen – eine echte Kugel hat ihn getroffen, mitten in den Kopf.

Leseprobe

Bartel nimmt an dem Schreibtisch inmitten der Bühne Platz. Der Vorhang geht hoch. Alle Augen sind auf ihn, auf den Promoter Mansher, wie er im Stück heißt, gerichtet. Er tippt gerade etwas in den Computer, als der Maskierte bei der Tür hereinkommt.
Mansher ist perplex. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
Der Maskenmann fackelt nicht lange. Gekonnt zieht er die Pistole aus dem Mantel. Peng! So wie es im Text steht, feuert er einen Schuss auf Mansher ab, der unmittelbar zu Boden geht. Der Maskierte stürmt sofort darauf von der Bühne. Vorhang, das Stück ist zu Ende, die 65. Adlmanninger Sommerfestspiele sind Geschichte. Applaus setzt ein, der Vorhang geht wieder hoch. Jetzt ist es Zeit für alle Mitwirkenden sich zu verbeugen. In ihrer Mitte sollte eigentlich Bartel stehen. Sollte – denn Bartel liegt immer noch so da, wie er vor gut 20 Sekunden umgefallen ist, regungslos.
»Der ist immer noch in seiner Rolle«, denkt sich Regisseur Ennser. Lächelnd schubst er seinen Hauptdarsteller nonchalant an. Keine Reaktion. »He, Richard«, sagt er nochmal. Er schüttelt Bartel härter und dreht ihn ein wenig zur Seite. Jetzt bemerkt der Regisseur, das ist mehr Ketchup, als wir gekauft haben.
»Blut! Scheiße, verdammte, was ist da los?«
In dem Moment bemerken auch die Schauspieler, dass etwas
nicht stimmt. Eine Traube bildet sich um Bartel, die ersten Zuschauer werden unruhig und beginnen zu tuscheln. Penelope
Ostermaier stürzt auf die Bühne.
»Ritchie«, schreit sie in die Adlmanninger Nacht.
Es ist ein lauter, verzweifelter Schrei, der allen durch Mark und Bein fährt. Die paar Anwesenden, die nicht unter Schock stehen, wissen – sie sind gerade Zeugen eines historischen Events geworden. Schauspielstar Richard Bartel ist auf offener Bühne erschossen worden. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer

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Gefallene Sterne
Kriminalroman von Peter Schierl-Montfort
Taschenbuch, 214 Seiten, € 13,90 (A)
ISBN 978-3-99074-259-4