„Die Mostviertlerin“ von Helmut Scharner
Blindenmarkt, Niederösterreich. Als Harald Brunner, Techniker für Alarmanlagen, von einer Geschäftsreise zurückkehrt, ist seine Frau Katharina verschwunden. Harald fürchtet ins Zentrum von Polizeiermittlungen zu geraten, da er vor Jahren schon einmal seiner Frau Gewalt angetan hat. Und vor seiner Rückkehr hatte er, ohne seine Frau darüber zu informieren, ein verlassenes Bauernhaus besichtigt, das er erben könnte. So kann er für den Zeitraum ihres Verschwindens kein Alibi vorweisen und wendet sich deshalb nicht an die Polizei. Auf sich allein gestellt, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln. Am nächsten Tag erhält er ein Erpresserschreiben.
Leseprobe
Stefanie kniff ihre Augen zusammen, verkrampft hielt sie das Lenkrad fest. Das Licht des Fahrzeuges wurde greller. Kleine Nadeln, die immer tiefer in ihren Hinterkopf stachen. Kein Abblenden. Stefanie schrie auf und trat gleichzeitig hart auf die Bremse. Dann, endlich war das Auto vorbei. Die Schmerzen in ihrem Kopf ebbten in kleinen Wellen ab. Sie erkannte wieder die Fahrbahn vor ihr. Stefanie legte den ersten Gang ein und beschleunigte, sie durfte nicht noch mehr Zeit verlieren.
Nach wenigen Minuten passierte sie die Ortstafel. Die Straßen waren nur spärlich beleuchtet, trotzdem tränten ihre Augen noch immer, zu empfindlich waren sie. Die zweite durchgearbeitete Nacht forderte ihren Tribut, doch sie durfte nicht rasten, denn es ging um Leben und Tod. Jede Minute zählte.
Stefanie bog in die Seitengasse ein. Links und rechts säumten hohe Hecken den Weg und verhinderten den direkten Blick auf die dahinterliegenden Einfamilienhäuser. Im Schritttempo lenkte Stefanie ihr Auto an den parkenden Fahrzeugen vorbei, jedes einzelne musterte sie genau.
Jackpot! Da stand er. Der Polo des Kindermädchens. Ihr eigenes Fahrzeug parkte Stefanie hinter dem Polo am Straßenrand. Danach griff sie nach ihrem Smartphone, sie brauchte unbedingt Verstärkung, jetzt, wo sich ihr Verdacht bestätigt hatte.
Die lokale Polizei oder Lukas? Lukas wäre besser, aber er befand sich zu weit weg.
Ein lauter Knall. Vor Schreck fiel Stefanie das Handy aus der Hand. Sie ließ es am Boden ihres Autos liegen, keine Zeit mehr, Verstärkung zu rufen. Sie musste einschreiten. Sofort. Entgegen jeder Vorschrift.
Ihr Herz raste, in ihren Ohren rauschte das Blut wie ein Wasserfall. Hastig öffnete sie die Autotür, sprang aus dem Wagen und rannte zum Gartentor. Dort drückte sie die Türklinke hinunter, doch die Tür war verschlossen. Der Garten dahinter lag vollkommen im Dunkeln, aus einem Fenster im Erdgeschoß des Einfamilienhauses jedoch drang Licht. Stefanie schwang sich über die Gartentür, ging dahinter in die Hocke und zog ihre Pistole aus dem Schultergurt. Sie entsicherte sie, dann sprintete sie zur Eingangstür des Hauses. Bedrohliche Stimmen aus dem Inneren. Die Tür nur angelehnt, mit Gewalt aufgebrochen. Stefanie stieß sie mit ihrer Schulter auf, die Pistole im Anschlag trat sie ein.
»Polizei, keine Bewegung!«
Das Licht im Innern blendete sie, reflexartig schloss sie ihre Augen. Wieder die Nadelstiche im Kopf, Stefanie blinzelte und zwang sich, die Schmerzen in ihrem Hirn zu ignorieren.
Zwei Menschen, zwei Körper, für Stefanie kaum zu unterscheiden. Ein Messer blitzte auf. Mündungsfeuer in Stefanies Richtung. Der Knall, ohrenbetäubend. Auch Stefanie drückte ab, spürte den Rückschlag, hörte nur noch dumpf den Ton der eigenen Waffe. Beide Körper lagen am Boden. Stefanie trat näher, die Pistole noch immer auf die beiden vor ihr Liegenden gerichtet. Blut, zu viel Blut.
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Die Mostviertlerin
Kriminalroman von Helmut Scharner
TB, 218 Seiten, € 13,90 (A)
ISBN 978-3-99074-205-1