„Der springende Punkt“ von Christian Hartl
Eigentlich hätte sich Bezirksinspektor Gerhard Grinninger auf ein paar erholsame Wochen im malerischen Bad Hansberg gefreut. Doch der beim Grenzübergang Guglwald auf einer Baustelle tot aufgefundene Journalist Claus Peter Steiner macht ihm einen Strich durch seine Wellness-Rechnung. Steiner, die Edelfeder des streng rechtskonservativen Wochenmagazins »Alpenpost«, wurde mit Drogen vollgepumpt und danach von Hunden zu Tode gehetzt. Steckt tatsächlich die Mafia hinter diesem Strafritual? Oder wirbelte Steiner mit seinen Recherchen zu viel Staub auf?
Leseprobe
Bezirksinspektor Gerhard Grinninger hatte schon viel erlebt. Das, was sich an diesem Tag abgespielt hat, war aber ganz was Komisches: Vor etwa einer Stunde saß er noch im Café Traxler in Bad Hansberg mit einer gepflegten Halben Bier und las die Kolumne von Claus Peter Steiner in der Alpenpost. Da hat er sich noch nicht gedacht, dass er besagten Schreiberling jetzt live vor die Augen bekommt. Dass dieser nun als Leiche auch noch Hauptgegenstand seiner Ermittlungen und Grund für den sofortigen Urlaubsabbruch ist, hat den braven Polizeibeamten aus seinem Konzept gebracht.
Eigentlich hat er sich heute früh schon auf die freien Tage zu Erholungszwecken gefreut. So oft es geht, nach Tschechien zum Fischen fahren, sich danach im Sternwald-Spa in Bad Hansberg entspannen und die Arbeit dort lassen, wo sie an solchen Tagen hingehört ‒ im Nirwana. Daraus ist dann nach dem hektischen Anruf von Bezirkskommandant Herbert Luckeneder nichts geworden.
Aber trotzdem: Das mit der Fahrt nach Tschechien ist dem Grinninger schlussendlich doch noch aufgegangen. Der Grund dafür liegt jetzt etwa zwei Meter unter Grinningers Füßen in einer fertig ausgeschalten Baugrube, verdeckt von einigen abgeplattelten Dämmplatten.
Claus Peter Steiner war Redaktionsleiter der Alpenpost im Korrespondentenbüro in Linz und Kolumnist im Politikteil. Er nannte sich selbst »Alpen-Postler« und schrieb in seinen Kolumnen Briefe an honorige Persönlichkeiten, Politiker und Promis. Diese Schriftwerke befolgen die Blattlinie der Zeitung in zugespitzter Form und sind in ihrem Rezept sozusagen voll auf die Bedürfnispyramide der Alpenpost-Abonnenten zugeschnitten: Man nehme ein bisschen Hass, dann eine Prise Brutal-Patriotismus und vermische diese Mixtur mit einer großen Portion Sexismus. Das Ganze dann noch aufgeschäumt mit einem ordentlichen Schuss Zynismus. Fertig ist der Giftcocktail, der je nach Gusto entweder als wohlfeines Finale der Arbeitspause oder bekömmliche Frühstücksbeigabe genossen werden kann. Darüber prangt das Foto von Steiner mit Füllfeder in der Hand, Trachtenjanker am Körper und einem Hunderl in der Hand – perfekt, um gewisse Reizreflexe beim gelernten Österreicher auszulösen.
Die Baugrube ‒ in der nun Steiner liegt ‒ soll eine tragende Betonwand werden, die zum Einkaufszentrum von Theodor Burger gehört. Entstehen soll dieser Konsumtempel aus dem ehemaligen Zollhaus am Grenzübergang Guglwald. Da die Leiche haarscharf auf der rot-weiß-roten Seite der Grenze liegt, befindet sie sich im Wirkungsbereich von Grinninger, der seit dem Misthaufenmord als Spezialist für Mordfälle in der Region gilt.
»Du bist unser Mann mit Mord-Erfahrung«, hat den Grinninger der hochnervöse Oberst Herbert Luckeneder motiviert, sich der Sache umgehend anzunehmen.
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Der springende Punkt
Kriminalroman von Christian Hartl
Taschenbuch, 232 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-004-4