„Bachkantate“ von Ernst Schmid

Eine spektakuläre Mordserie hält Linz in Atem. Die Opfer werden aufs Schlimmste misshandelt. Eindeutig die Tat eines Verrückten. Doch alle Ermordeten waren Mitglieder der gleichen Burschenschaft. Gruppeninspektor Gruber vermutet ein politisches Motiv und setzt alles daran, den Mörder schnell zu fassen, auch um beim neuen Innenminister Eindruck zu schinden. Als jedoch bekannt wird, dass er ebenfalls dieser schlagenden Verbindung angehört und selbst ins Visier des Täters gerät, werden Frieda Bach und ihr Team mit den weiteren Ermittlungen betraut. Die Suche nach dem Mörder wird zu einem Wettlauf mit der Zeit. Dass Frieda selbst in Lebensgefahr schwebt, wird ihr erst bewusst, als es schon fast zu spät ist.

Leseprobe

Frieda Bachs 4. Fall
Ein stechender Schmerz ließ sie erwachen. Sie schlug die Augen auf, schloss diese jedoch sofort wieder, weil das gleißende Licht über ihrem Kopf sie blendete.
Wo war sie? Sie erinnerte sich vage daran, dass sie sich mit dem Mann getroffen hatte. Sie hatten in einem noblen Restaurant gespeist und waren danach zu ihm nach Hause gefahren. Zumindest kam es ihr so vor, aber sie wusste es nicht mehr. Oder hatte sie das alles nur geträumt? Sie hatte keine Ahnung.
Erneut ließ sie ein stechender Schmerz zusammenzucken. Ihre Hüfte und Beine brannten wie Feuer. Sie wollte sich aufrichten, um ihr Becken zu entlasten, doch es gelang nicht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie sich nicht bewegen konnte. Erschrocken riss sie die Augen auf, schaute direkt in die grelle Sonne über ihr, nur, dass diese Sonne nicht wärmte, sondern kalt war wie Eis. Sie fröstelte, spürte die Gänsehaut, die sich auf ihrem Körper ausbreitete, stellte entsetzt fest, dass sie nackt war. Ihr Herz begann zu rasen, pochte so heftig, dass sie Angst hatte, es würde zerspringen.
Du musst dich beruhigen, ermahnte sie sich und wiederholte diesen einen Satz fast gebetsmühlenartig einige Mal. Nur wenn sie ruhig genug war, konnte sie richtig einschätzen, was hier gerade mit ihr vor sich ging, und entsprechend darauf reagieren. Gleichzeitig atmete sie langsam ein, hielt den Atem an und atmete wieder aus. So lange, bis sich ihr Puls normalisierte. Dann ließ sie vorsichtig den Blick durch den Raum gleiten. Links von ihr befand sich ein großes Waschbecken, rechts ein Rolltisch, auf dem medizinische Instrumente ausgebreitet waren. Befand sie sich im Krankenhaus? Das konnte nicht sein. Der Kristallluster über ihr und die Stofftapeten an den Wänden passten nicht dazu. Auch die Bohrmaschine, die ebenfalls auf den Rolltisch lag, und die Motorsäge, die in der Ecke daneben lehnte, hatten nichts in einem Behandlungsraum verloren. Genau wie der Umstand, dass sie an den Armen und Beinen fixiert war. Sie zerrte an den Fesseln, um diese zu lockern, erreichte damit allerdings nur das Gegenteil. Je heftiger sie daran rüttelte, umso tiefer schnitten die Riemen ins Fleisch. Die unkontrollierten Bewegungen riefen erneut den Schmerz in ihrer Lendengegend hervor. Mit Mühe hob sie den Kopf ein wenig an und erstarrte, als sie sah, wo die Qualen herrührten. Sie war auf einem gynäkologischen Untersuchungsstuhl festgeschnallt. Ihre Beine waren in einem unnatürlichen Winkel auseinandergespreizt und mit Ledergurten am Gestänge fixiert. Ihr Gesäß hing über den Sitz hinaus und war unangenehm in die Höhe gezogen. Ein gepeinigter Schrei entwand sich ihrer ausgetrockneten Kehle. Sie bäumte sich auf, um sich loszureißen, was die Qualen nur vervielfachte.
»Ich würde das bleiben lassen«, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie klang sanft und einfühlsam und passte überhaupt nicht zu der schaurigen Situation, in der sie sich befand. »Die Fesseln sind so konzipiert, dass sie mit jeder Bewegung enger werden. Außerdem vergeudest du nur unnötig Kraft. Davon wirst du heute noch genug brauchen, wenn du die Behandlung überstehen willst.«
Die Worte ließen sie erschaudern. Wieder schlug ihr Herz so schnell, dass sie nahe daran war zu kollabieren.
»So beruhig dich doch!«, hauchte ihr die Stimme ins Ohr. »Du musst dich in dein Schicksal ergeben, dann fällt es dir leichter loszulassen.«
Der Mann war so nahe, dass sie spürte, wie sein Atem über ihre rechte Schläfe strich. Der Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase. Ohne dass sie ihn sah, wurde ihr klar, um wen es sich handelte. Tränen traten ihr in die Augen. Wieder einmal war sie zu vertrauensselig gewesen und hatte keine Sekunde darüber nachgedacht, was es mit ihrer Bekanntschaft auf sich hatte. Am meisten ärgerte sie jedoch, dass sie sich niemandem anvertraut hatte. Sie neigte dazu, ihre Angelegenheiten allein zu regeln. Das würde sie dieses Mal das Leben kosten.
Sie spürte etwas Kaltes zwischen ihren Schenkeln und schreckte hoch. Unbemerkt war der Mann vor ihre weit geöffnete Scham getreten und hielt ihr die Bohrmaschine entgegen. Obwohl sie wusste, dass es nichts brachte, zerrte sie erneut wie verrückt an den Fesseln und versuchte, sich zu befreien. Vergeblich!
Ihr Peiniger schüttelte tadelnd den Kopf und grinste sie spöttisch an. Dann intonierte er eine Melodie und strich im Takt mit der Bohrspitze über ihre Beine. »Herr, nicht schicke deine Rache über meine böse Sache, ob sie wohl durch Übeltat großen Zorn verdienet hat.«

Auch als ebook erhältlich
Weltbild
Amazon
Thalia

Bachkantate
Thriller von Ernst Schmid
TB, 264 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-085-9

Kategorien: ,